Das Herz eines Boxers
Fotos: Matthäus Matejek
Chiemgau Zeitung 10. März 2006
Von Thomas Kraus
Das Herz eines Boxers, sang Max Schmeling holternd und polternd
im gleichnamigen Song, kennt nur eine Sorge: im Ring stets
der erste zu sein. Das war 1930. Sechsundsechzig Jahre später
erfolgte im Berliner Grips-Theater die Uraufführung eines Theaterstücks
von Lutz Hübner, für das dieser den Deutschen Jugendtheaterpreis
erhielt. Titel war wiederum: Das Herz eines Boxers .
Dieses Zwei-Personen Stück ist nun in Michael Feuchtmeirs
privatem Theater und Kunstatelier Die Werkstatt in Rimsting zu sehen,
als zweite Eigeninszenierung, nach dem Erfolg mit Alessandro Bariccos
Novecento vor zwei Jahren. An der Seite des versierten, mit vielerlei
Wassern gewaschenen Künstlers und Theatermanns Feuchtmeir agiert nun der
temperamentvolle und talentierte Nachwuchsschauspieler Adrian
Brandmaier. Im Stück ist er Jojo. Ein Jugendlicher, für den alles schief
geht, der weder Freundin noch Lehrstelle noch Hoffnung noch einen guten
Stand in sein Clique hat. Für einen Mofa-Diebstahl verdonnert ihn das
Gericht zu einer Jugendstrafe, zum Putzen in einem recht klinisch
wirkenden Altersheim. Dort trifft er auf den greisen, uralt und müde
wirkenden, tattrigen, bettlägrigen Rentner Leo. Alles Bühnengeschehen,
alle Szenen passieren in diesem einen Raum, diesem einen Bühnenbild, das
so spartanisch wie effektvoll hauptsächlich nur mit einem Krankenbett
ausgestattet ist. Mehr braucht es auch nicht.
Die in manchen Teilen an Einer flog übers Kuckucksnest , dann
wieder an Charlies Tante erinnernde Entwicklung findet in den Köpfen
und Herzen der beiden Protagonisten statt und wird über die
geschliffenen, oftmals exzellent pointierten, witzigen Dialoge Hübners
sowie das ausgefeilte Spiel der beiden Akteure ohne Umstände
verständlich, nachvollziehbar.
Leo mimt anfangs den Tauben, Jojo ist in seiner Wut über seine
Situation anfangs nur grob, verbal beleidigend. Erst als er
herausfindet, wer dieser alte Mann, den er vor sich hat, war, oder
wirklich ist, ändert sich für ihn die Sichtweise komplett: Leo war
früher ein gefeierter Star der Box-Arena, der rote Leo .
Hübners Das Herz eines Boxers gilt als Jugendstück. Im Kern
geht es darin jedoch um Jugend und Alter. Um Lebenserfahrung und
Lebenslust, um Kampf und Rosen, um Auswege aus Krisen oder kurz gesagt
darum, nach K.-o.-Schlägen wieder aufzustehen. Hübners Stück hat dabei
genügend überraschende Wendungen, um gerade in der Reduktion auf zwei
Akteure spannend zu bleiben. Die seelischen, emotionalen Entwicklungen
der beiden letztlich starken Persönlichkeiten sind in ihrer Entwicklung
gut gezeichnet und nachvollziehbar. Michael Feuchtmeir als klappriger,
Gebiss-kauender Greis mit dem Herzen eines Boxers überzeugt durch die
Genauigkeit seiner Gesten, seiner Mimik, seiner Blicke. Adrian
Brandmaier ist altersmäßig nahe an seiner Rolle dran. Bei ihm ist es die
in jedem Moment spürbare, riesige, energiegeladene Spiellust, die
begeistert, auch wenn sie gelegentlich zu kleinen Überzeichnungen führt.
Das Publikum zeigte sich bei der Premiere begeistert vollkommen zu Recht.
Schmelings Boxerlied kommt indes im Stück nicht direkt vor. Schwingt irgendwie aber trotzdem mit.
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