Das Lächeln am Fußer der Leiter

Foto: Thomas Pertl

Das Lächeln am Fuße der Leiter

 

Michael Feuchtmeir modelliert Henry Millers "Lächeln am Fuße der Leiter" szenisch

Eine Utopie der Selbstverwirklichung     

Sonnenklar, warum sich Michael Feuchtmeir dieses Stück ausgesucht hat, in dem der Clown August die Leiter an den Mond lehnt und gleichzeitig aus der Welt fällt. Michael Feuchtmeir ist Schauspieler und Bildender Künstler. Er ist ein weitgehend "Selbstgestrickter". Ein Solitär. Er vermittelt seine Künste unterrichtend weiter. Damit muss Henry Miller fast zwangsläufig interessant sein für ihn. Und zwar in den Aspekten seines Werks, in denen dieser "Selbergestrickte" das Phänomen der Kreativität selbst in den Brennpunkt stellt. Und genau das zieht sich bei Henry Miller wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk, verdichtet sich jedoch knäuelartig in "Das Lächeln am Fuße der Leiter". "Von allen Erzählungen, die ich jemals geschrieben habe, ist dies die eigenartigste", so Henry Miller. Wohl deshalb, weil sie die märchenhafteste ist, die parabelhafteste. 1948 von dem damals 57-jährigen Autor geschrieben, ist das hundertprozentig pornografiefreie "Lächeln am Fuße der Leiter" längst ein Klassiker seelischer Innenschau-Literatur mit mystischer Aura. Als solcher erlebte die Buchausgabe mit den Illustrationen Joan Mirós Ende der 1970er-Jahre eine Renaissance, zeitgeistbedingt. Clowns waren zu der Zeit beliebte Projektionsfiguren der Post-Hippie-Kultur. Michael Feuchtmeir projeziert in seiner szenischen Fassung der Erzählung nicht, er modelliert. Er illustriert nicht, tritt nicht in Konkurenz zu Miró, dessen Bilder untrennbar mit dem Buch verwachsen sind. Es ist die insgesamt dritte Eigenproduktion in Sachen Theater, die Michael Feuchtmeir in seinem Kunstatelier-Theater "die Werkstatt" in der Rosenstraße 1 in Rimsting auf die Beine gestellt hat. Und es ist, wie der Erstling "Novecento" wieder ein Einpersonenstück.
Der zentrale Regieeinfall ist großartig - und nur von jemand ohne Peinlichkeit zu realisieren, der eben nicht "nur" Schauspieler, sondern auch Skulpteur ist: Feuchtmeirs einziges Bühnenrequisit ist ein gut halbmeterhoher Tonbatzen.
Eingangs zu einem Gesicht, einer Porträtbüste modelliert, erfährt dieser im Laufe des Stücks Umformungen. Er wird demontiert, komplett abgetragen, neu aufgebaut, verändert. Eine Clownsnase wird aufgesetzt. Von Miller heißt es, er habe sich mit seinem "Lächeln am Fuße der Leiter" ein Denkmal gesetzt. Feuchtmeir spielt mit diesem Bildnis eines Clowns eines Autors, schafft sich und seinem Monolog ein Gegenüber. Dass ihm dies am Premierenabend - mit Ausnahme etwas zu grotesk übersteigerter Ohren - auf sehr ausdrucksstarke Weise gelang, verrät sein hohes plastisches Vermögen.
Schließlich ist da noch die Gleichzeitigkeit das langen Textes. Diesen präsentiert Feuchtmeir glücklicherweise ohne Übersteigerung, im Tonfall eines Erzählers, dem man sehr gerne zuhört, auch über lange Passagen hinweg. Die schauspielerische Aktion beschränkt sich, vom Modellieren abgesehen, auf wenige Gesten. Problematisch ist für die Gesamtanlage des Stücks, dass Feuchtmeir sein bildhauerisches Pulver größtenteils in der ersten halben Stunde der Aufführung verschießt, dass er zum Höhepunkt hin hinter der Clownsbüste fast verschwindet, die über zu lange Phasen dem Publikum nur den wenig gestalteten Hinterkopf mit den Segelohren präsentiert. Feuchtmeirs Personalunion von Akteur und Regisseur geht an diesen Stellen nicht recht auf. Allerdings trägt seine Rezitationskunst über die Stellen hin, an denen der Text quasi ohne sonstige Aktion präsentiert wird.
Zirkusmusikalische Untermalung erhält das Stück über die Utopie der Selbstverwirklichung durch Sibylle Stier am Klavier und Karl Bocka am Tenorsaxofon, Cello und einer von Limpe Fuchs bekannten Ballastsaitenresoanztrommel. Von Karl Bocka sind im Aufführungsraum Bilder ausgestellt.

Inhalt:
Der Clown August setzt sich nieder "am Fuße der Leiter, die er gegen den Mond gelehnt hat und ist in Betrachtung verloren". Er möchte jeden Abend sein Publikum nicht bloß zum Lachen bringen, sondern den Menschen zur Glückseligkeit verhelfen. Aber alle seine unnachahmlichen Tricks rufen immer nur Gelächter hervor. Bei seinen Darbietungen verausgabt er sich bis zur Ekstase. Eines Abends fällt er nach der Vorstellung in Trance und wacht erst in seiner Garderobe wieder auf. August "flieht aus der Welt, die er kannte". Er findet Arbeit bei einem anderen Zirkus, wo er lediglich Hilfsdienste ausübt. Eines Tages wird der Clown Antoine krank, und August hofft insgeheim, man würde ihm anbieten, an dessen Stelle aufzutreten. Das passiert auch - mit düsterem Ergebnis. Er verlässt den Zirkus und überlegt auszuwandern. Die Erkenntnis, "dass niemand zu sein, oder jemand oder jedermann zu sein, ihn keineswegs daran hindert, er selbst zu sein" versetzt ihn in einen Taumel des Entzückens. Als er einen Mann in Uniform auf sich zukommen sieht, glaubt er, den "Engel der Erlösung" zu erblicken.

Chiemgau Zeitung 8. Mai 2007
von Thomas Kraus

 

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